Veranstaltung: | 40. Landesdelegiertenkonferenz 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.2. Sozial (Kapitel und Projekte) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 24.11.2018 |
Eingereicht: | 19.12.2018, 19:45 |
Antragshistorie: | Version 1 |
2.1. Auf den Anfang kommt es an: Kinder, Jugend und Familie
Beschlusstext
Familien stärken, Kinderarmut bekämpfen
Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen – ganz gleich, in welcher Konstellation, ob das in einer Mutter-Vater-Kind(er)-Konstellation, bei Alleinerziehenden, Patchwork- oder Regenbogenfamilien geschieht. Wir kämpfen für ein gerechtes Land, in dem jedes einzelne Kind gesund aufwachsen und seine Potenziale entfalten kann.
Kinderarmut dürfen wir in einem reichen Land wie unserem nicht zulassen. Jedes vierte Kind in Brandenburg unter drei Jahren ist arm oder armutsgefährdet. Besonders häufig arm sind die Kinder alleinerziehender Mütter oder in kinderreichen Familien. Sie wollen wir deshalb besonders unterstützen. Aufwachsen in Armut bedeutet mehr als finanzielle Not, es betrifft die gesamte Lebenssituation. Denn Armut führt zu sozialer Ausgrenzung, oft ein Leben lang. Schließlich stehen in keinem anderen Industrieland die Chancen für einen späteren sozialen Aufstieg so schlecht wie in Deutschland. Wir wollen deshalb nicht nur an einem „Runden Tisch“ über Kinderarmut reden, sondern das Problem mit konkreten Maßnahmen wie der „Bildungskarte gegen Kinderarmut“ ernsthaft anpacken. Die Karte soll Kindern, die Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket haben, einen freien und unbürokratischen Zugang zu Bildungs-, Kultur-, Sport- und Freizeitangeboten ermöglichen. Besonders wichtig ist uns, dass
anspruchberechtigte Kinder kostenfrei und unbürokratisch am Mittagessen in Kita, Schule oder Hort teilnehmen können. Das Land muss den Eigenanteil von einem Euro übernehmen. Auf Bundesebene setzen wir uns für Regelsätze, die Teilhabe wirklich ermöglichen und für eine Kindergrundsicherung ein.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht im Zentrum unserer Politik. Wir setzen uns für familienfreundliche, moderne und flexible Arbeitszeitmodelle und mehr zeitliche Selbstbestimmung für Familien ein. Gleichzeitig möchten wir erreichen, dass Frauen und Männer ihren Wunsch nach partnerschaftlicher Aufteilung von Familien- und Erwerbsarbeit leben können und Zeit haben, Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen. Die Situation von Alleinerziehenden nehmen wir besonders in den Blick.
Mehr Hebammen ausbilden
Jedes einzelne Kind muss gute Startchancen ins Leben haben, von Anfang an. Wir wollen, dass Frauen überall in Brandenburg ihre Kinder selbstbestimmt auf die Welt bringen können, unabhängig davon, ob sie sich für eine Klinik, ein Geburtshaus oder eine Hausgeburt entscheiden. Es kann nicht sein, dass Familien keine Hebamme mehr für die Geburtsvorbereitung und die Wochenbettbetreuung finden und Geburtsstationen aus Personalmangel geschlossen werden müssen. Wir brauchen dringend mehr Hebammen und Entbindungspfleger. Dafür wollen wir ausreichend Ausbildungskapazitäten schaffen und das duale Studienfach Hebammenkunde an einer Brandenburger Hochschule einführen. Wir setzen uns für eine bessere Bezahlung von Hebammen, gute Arbeitsbedingungen und den hebammengeleiteten Kreißsaal ein. Die Frage der Haftpflichtversicherungsprämien wollen wir auf Bundesebene endlich so regeln, dass auch in Zukunft Haus- und Geburtshausgeburten stattfinden können.
„Frühe Hilfen“: Kindeswohl und Kinderschutz sichern
Für eine starke soziale, emotionale, motorische, kognitive und sprachliche Entwicklung brauchen vor allem Kinder aus Familien in schwierigen Lebenslagen eine frühe Förderung. Wir wollen die Mittel für den Kinderschutz und die „Frühen Hilfen“ aufstocken und die Netzwerke „Gesunde Kinder“ professionalisieren und ausbauen. Kitas wollen wir zu Eltern-Kind-Zentren oder Mehr-Generationenhäusern weiterentwickeln. Hier können niedrigschwellige Angebote wie Schwangerschaftsberatung, Eltern-Kind-Kurse, Vermittlung von unterstützenden Patenschaften oder Senior*innenkreise stattfinden. Das Land soll hier Modellprojekte vor allem in berlinfernen Regionen fördern. Eine Verstetigung der bestehenden Mehrgenerationenhäuser über die Bundesförderung hinaus streben wir an.
Die Welt entdecken: Frühkindliche Bildung verbessern
Die ersten Lebensjahre entscheiden besonders stark über die Entwicklung eines Menschen. Deswegen brauchen wir gute Kitas und müssen sie entsprechend ausstatten. In der Relation von Personal zu Kindern liegt Brandenburg trotz leichter Verbesserungen regelmäßig auf den hinteren Rängen. Wir wollen sowohl die Qualität in den Kitas weiterentwickeln als auch die gerade begonnene Einführung der Beitragsfreiheit fortsetzen. Bis dieses Ziel erreicht ist, setzen wir uns für gerechte und vergleichbare Elternbeiträge in den Kommunen ein. Die Gruppengrößen wollen wir senken und die Zahl der Kinder, die eine Fachkraft betreut, möglichst schnell auf die wissenschaftlich empfohlene Relation von 1:3 für Unter-Dreijährige und 1:7,5 für Drei- bis Sechsjährige verbessern. Gleichzeitig wollen wir die Elternbeitragsfreiheit stärker ausweiten und die landesfinanzierten Betreuungszeiten durch die Einführung einer dritten Betreuungsumfangsstufe bedarfsgerecht ausbauen. Besonders alleinerziehende Eltern
brauchen oft längere Betreuungszeiten, die auch Schichtdienst möglich machen.
Das auf unsere Initiative hin beschlossene landesweite Kita-Qualitätsmonitoring soll künftig alle Kitas bei der Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität beraten können. Das Kitagesetz wollen wir über einen öffentlichen Beteiligungsprozess umfassend reformieren, um den erweiterten Bildungsauftrag, die Qualitätssicherung, die räumliche und zeitliche Bedarfsabdeckung, eine gerechte Finanzierung und Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung zu regeln. Wir wollen flächendeckend gezielte Sprachförderung, Musik- und Bewegungsangebote und gutes Essen, ohne dass Eltern dafür draufzahlen müssen. Das Programm „Kiez-Kita“ wollen wir weiter verbessern. Die Zahl von 100 Kitas, die aufgrund ihres Sozialindexes jetzt im Rahmen des Programms „Kiez-Kita" eine halbe bis ganze Stelle zusätzlich beantragen können, ist zu klein.
Für uns gehört die Kindertagespflege ebenso zur Säule der Kinderbetreuung wie die Kindertagesstätte. Auch hier muss gelten: Gute Qualität der Arbeit, gute Ausbildung, gute Bezahlung, die über den Mindestlohn hinaus geht und eine regelmäßige Evaluierung.
Damit sich Kinder optimal entwickeln können, brauchen sie die Unterstützung verschiedener Berufsgruppen. Hierzu wollen wir in den Kitas multiprofessionelle Teams einsetzen. Neben Erzieher*innen gehört hierzu auch Personal aus den Bereichen der Sozialarbeit, Psychologie und Gesundheit. Für die Kinder und Eltern benachteiligter Familien wollen wir niedrigschwellige Beratungs-, Bildungs- und Therapieprogramme anbieten.
Kinderrechte umsetzen, Kinder und Jugendliche beteiligen
Kinder und Jugendliche haben ein Recht, unbeschwert aufzuwachsen und sich zu entwickeln. Wir wollen Kinder darin unterstützen, ihre Rechte durchzusetzen. Deshalb werden wir ein Konzept erarbeiten, wie wir die Kinderrechts-Charta in Brandenburg am besten umsetzen können. Alle Kinder und Jugendlichen sollen künftig in Brandenburg eine eigene Anlaufstelle finden, die ihnen mit juristischem Rat zur Seite steht. Die Initiative der Landesregierung, sich im Bundesrat für „Kinderrechte ins Grundgesetz“ einzusetzen, unterstützen wir. Aufgrund unserer hartnäckigen Initiative im Landtag wurde die Kinder- und Jugendbeteiligung jetzt verpflichtend in die Kommunalverfassung aufgenommen. Wir wollen die konkrete Ausgestaltung der Beteiligung vor Ort von Landesseite unterstützen, denn es ist wichtig, dass die Beteiligung auch wirksam ist. Da es viele tolle Beispiele für gut funktionierende Kinder- und Jugendparlamente, Jugendbeiräte oder Jugendforen gibt, wollen wir eine landesweite
Informationskampagne mit Best-Practice-Beispielen starten.
Kinder und Jugendhilfe stärken
Für uns ist die Kinder- und Jugendhilfe ein zentrales Angebots- und Unterstützungssystem, das Familien bei der Bewältigung von Krisen und schwierigen Lebenslagen auf Augenhöhe berät und ihnen unter die Arme greift. Wir wollen eine freundliche, den Menschen und den Familien zugewandte Behörde, die präventiv und proaktiv tätig wird und so Benachteiligungen vermeidet und abbaut. Jugendämter sollen stärker zur Schaffung von positiven Lebensbedingungen beitragen und eine kinder- und familienfreundliche Umwelt gestalten, damit Familien gar nicht erst in Bedrängnis geraten. Um zuzuhören und sensibel mit den Betroffenen umzugehen müssen sich Sozialarbeiter*innen ausreichend Zeit nehmen können. Derzeit sind die einzelnen Fallzahlen in der Kinder- und Jugendhilfe viel zu hoch. Wir setzen uns für bessere Rahmenbedingungen, mehr finanzielle Ressourcen und qualifiziertes Personal sowie gute Fortbildungs- und Supervisionsangebote für die Mitarbeiter*innen ein.
Wir betrachten Jugend- und Jugendsozialarbeit als Anspruch nicht nur für benachteiligte, sondern für alle Jugendlichen. Jugend- und Jugendsozialarbeit ist außerschulische Bildungsarbeit mit politischer, sozialer, kultureller und persönlichkeitsbildender Funktion. Die Sozialraumorientierung wollen wir ausbauen und möglichst über die Kinder- und Jugendhilfe hinaus weitere Einrichtungen, z.B. Schulen, stärker in die Gestaltung eines kinder- und familienfreundlichen Umfelds einbeziehen.
Skandalöses Versagen wie das der Fachaufsicht des Landesjugendamts und des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport in den Haasenburg-Heimen darf sich nicht wiederholen. Unsere Fraktion brachte die Vorgänge auf die Tagesordnung des Landtags und setzte eine Untersuchung sowie Neu-Konzeption des Umgangs mit dieser Klientel durch. Wir wollen die empfohlenen Maßnahmen umsetzen, die Fachaufsicht personell aufstocken und die Einrichtungen fachlich beraten, unterstützen und ggf. auch kontrollieren. Für Konfliktsituationen zwischen Betroffenen und dem Jugendamt wollen wir das Netz regionaler Ombudsstellen weiter ausbauen.