Veranstaltung: | 40. Landesdelegiertenkonferenz 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.1. Ökologisch (Kapitel und Projekte) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 24.11.2018 |
Eingereicht: | 17.12.2018, 00:56 |
Antragshistorie: | Version 1 |
1.5 Aus alt mach neu: Kohleausstieg und Strukturwandel
Beschlusstext
Wir setzen uns für eine ökologische, sichere und preiswerte Energieversorgung in Brandenburg ein. Für dieses Ziel brauchen wir den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Braunkohlenutzung. Die Rahmenbedingungen für die Energiewende wurden auf der UN-Klimakonferenz in Paris gesetzt. In Brüssel und Berlin müssen nun verbindliche Beschlüsse gefasst werden, wie der Weg zum notwendigen Klimaschutz gesetzlich ausgestaltet wird. Denn wenn wir nicht rasch und zielorientiert handeln, treibt uns die Klimakatastrophe in immer höherem Tempo in eine bedrohliche Krise – dafür war der heiße Sommer von 2018 nur ein Vorgeschmack. Auch in den Braunkohleregionen schafft ein klarer Ausstiegsfahrplan, verbunden mit verbindlich zugesagten Strukturhilfen, endlich Klarheit, wie es weiter gehen kann.
Brandenburg ist bisher auf einem guten Weg beim Ausbau erneuerbarer Energien. Auf Grund der parallel beibehaltenen Braunkohleverstromung hat das bisher jedoch kaum Auswirkungen auf Brandenburgs extrem hohen CO2-Ausstoß. Pro Kopf hat Brandenburg den mit Abstand höchsten CO2-Ausstoß aller Bundesländer! Ohne den Kohleausstieg wiederum kann weder Brandenburg noch Deutschland seine beschlossenen Klimaziele realisieren.
Kohleausstieg als Einstieg in die Energiewende-Zukunft verstehen
Auch weil der längst überfällige Strukturwandel in der Lausitz von den bisherigen Landesregierungen fahrlässig auf die lange Bank geschoben wurde, ist ein Wandel in der Energiepolitik dringend geboten. Durch die Verschleppung von echten Lösungen ist bei Anwohner*innen und Mitarbeiter*innen an und in den Kohlegruben eine große Verunsicherung entstanden. Wir wollen einen klaren Kohleausstiegsfahrplan mit neuen Chancen für die Betroffenen. Die Energieerzeugung aus Braunkohle ist klimapolitisch und wirtschaftlich ein Auslaufmodell. In der Vergangenheit wurden Schäden durch den Braunkohleabbau in Kauf genommen. Nicht nur die Lausitzer Landschaft wurde verwüstet, die Tagebaue gefährden zunehmend auch die Trinkwasserversorgung der gesamten Region. Auch die Kosten für die Rekultivierung steigen unaufhörlich und können nicht annähernd vom Betreiber im nötigen Umfang erbracht werden. Zudem subventioniert Brandenburg noch immer die Braunkohle durch den Verzicht auf Entgelte für die Entnahme von
Grundwasser zur Trockenlegung der Tagebaue.
Kohleausstieg schnellstmöglich umsetzen
Die „Kohlekommission“ auf Bundesebene wurde mit Aufgaben überfrachtet. Ob bzw. wann und mit welchen konkreten Festsetzungen der von ihr vorzulegende Kohleausstiegs-Fahrplan von Bundesregierung und Bundestag beschlossen wird, ist noch offen. Mit Blick auf die Klimaziele von Paris ist gleichwohl klar, dass es in Brandenburg keine neuen Tagebaue geben darf. Zudem wollen wir bereits genehmigte Tagebaue verkleinern. Wir setzen uns weiterhin mit aller Kraft gegen die Genehmigung des Tagebaus Welzow Süd II ein. Zudem wollen wir alles dafür tun, dass die LEAG nicht nur an der Braunkohle verdient, sondern auch die anschließenden Rekultivierungskosten – mindestens 3 Mrd EUR allein für die Lausitz - trägt. Die Gestaltung von Tagebaufolgelandschaften bedeutet noch für Jahre gut bezahlte Arbeitsplätze und ist damit ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung des Strukturwandels. Wir wollen die rechtlichen Möglichkeiten Brandenburgs nutzen, um Sicherheitsleistungen für die Lausitzer Tagebaue Welzow und
Jänschwalde gegenüber der LEAG festzusetzen. Kann oder will sie diese nicht erbringen, sollen die neuen Hauptbetriebspläne nicht genehmigt werden. Das Landesbergamt muss hier entschlossen handeln und die Ermessenskriterien zur Bestimmung voll ausschöpfen.
Das aus altem DDR-Recht resultierende Eigentum des Bundes an Brandenburger Bodenschätzen und die damit einhergehende Benachteiligung von Brandenburger Grundbesitz wollen wir endlich beenden. Deswegen setzen wir uns für ein sofortiges Verkaufsmoratorium und die baldige Löschung der bundeseigenen "selbstständigen Bergwerkseigentume" im Zuge der überfälligen Modernisierung und Vereinheitlichung des deutschen Bergrechts ein.
Chancen nutzen, Risiken vermeiden
Weder die Landesregierung noch die CDU haben bisher die notwendige Entschlossenheit gezeigt, den kohleausstiegsbedingten Strukturwandel in der Lausitz zukunftsfähig zu gestalten. Die von der letzten Landesregierung favorisierte CCS-Technologie zur Verpressung von Kohlendioxid im Untergrund ist gescheitert. Planungen für den Ausstieg aus der Braunkohle wurden erst begonnen, nachdem die Bundesregierung 2015 die Stilllegung erster Kraftwerksblöcke von Jänschwalde beschlossen hatte. Andere Parteien zitieren gerne die Kosten des Klimaschutzes und blenden dabei völlig aus, dass die menschengemachte Klimaerhitzung erhebliche und bedrohlich wachsende Kosten mit sich bringt. Doch für immer mehr Bürger*innen und Kommunen, die viel Geld für die Bewältigung von Trockenheit und Starkregenereignissen ausgeben müssen, ist die Anpassung an die Klimakrise schon jetzt Realität – und sehr teuer. Wir wollen mit neuen Investitionen in den Klimaschutz künftige Schäden vermeiden, neue Arbeitsplätze schaffen
und weltweit nachgefragte Lösungen „Made in Brandenburg“ entwickeln.
Wir wollen die potentiell verschwindenden Industriearbeitsplätze in der Braunkohlewirtschaft auch durch vergleichbare Arbeitsplätze in Zukunftsindustrien ersetzen. Die vielen qualifizierten und erfahrenen Fachkräfte in gut bezahlten Industriearbeitsplätzen sind eine Stärke der Lausitz, gerade im Vergleich mit anderen peripheren Regionen Brandenburgs. Wir wollen diese Strukturen nicht aufgeben - nicht nur, um die Wirtschaftskraft der Lausitz zu erhalten, sondern auch um den direkt Betroffenen einen sozialverträglichen Umstieg zu ermöglichen. Es ist wichtig für die Region, diese Fachkräfte nicht zu verlieren, sondern ihnen vor Ort Entwicklungschancen zu bieten. Die meisten Beschäftigten aus der Braunkohlebranche wie Verfahrenstechniker*innen, Maschinenbauer*innen, Elektrotechniker*innen, Mechatroniker*innen usw. sind nicht auf den Energieträger Braunkohle festgelegt und werden für die Transformation zur zukunftsfähigen Energieregion gebraucht. Diese in der Region vorhandenen Kompetenzen
müssen entschlossen als Standortvorteil für die Ansiedlung von Anlagen- und Ausrüstungsherstellern aus dem Bereich der Energiewende genutzt werden.
Ein klarer Zeitplan hilft, die gesteckten Ziele zu erreichen. Zur Umsetzung braucht man nicht nur Geld, sondern auch ein Team, welches mit den nötigen Kompetenzen und Ressourcen ausgestattet ist. Je eher wir damit beginnen und ein finales Datum definieren, umso erfolgreicher kann der Prozess gestaltet werden. Um den notwendigen Strukturwandel in der Lausitz voranzubringen, schlagen wir vor, gemeinsam mit der Bundesregierung und dem Land Sachsen Verhandlungen über ein Verwaltungsabkommen zum Strukturwandel in der Lausitz zu führen. Hierbei sind die Voraussetzungen für einen erfolgreichen, klimaschutzbedingten Strukturwandel in der Lausitz zu definieren, sowie Vereinbarungen über folgende Maßnahmen zu treffen und umzusetzen:
Lausitz-Steuerungskreis einsetzen
Ein Steuerungskreis soll einen Masterplan für die zukünftige Entwicklung der Lausitz erarbeiten sowie die Aktivitäten vor Ort bündeln und koordinieren. Dieses Gremium setzt sich aus Vertretern aus der Region (Innovationsregion Lausitz, Wirtschaftsregion Lausitz), der Politik (Bund, Land Sachsen, Land Brandenburg) und Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen.
Handlungsfahrplan für die Zukunft der Braunkohle in der Lausitz erstellen
Der Steuerungskreis erarbeitet – in enger Abstimmung mit allen weiteren Akteuren in der Lausitz – ein zentrales, strategisches Referenzdokument (Masterplan) sowie einen entsprechenden Zeitplan (Roadmap). Dieser muss mit übergeordneten politischen Prozessen verzahnt werden. Ein solches Dokument dient den vielfältigen Akteur*innen in der Region als Leitfaden für ihr künftiges Handeln.
Geschäftsstelle „Strukturwandel Lausitz“ einrichten
Die Geschäftsstelle soll entlang der Vorgaben des Steuerungskreises den Masterplan formulieren und ausarbeiten. Sie koordiniert und überwacht die Umsetzung in den verschiedenen Projekten und Initiativen. Gleichzeitig soll sie jährlich über den Umsetzungsstand Bericht gegenüber den Landtag erstatten. Aufgaben der Geschäftsstelle sind insbesondere:
die Koordinierung bei der Aufstellung von eindeutigen und messbaren Zielen,
die Abstimmung von interkommunalen/regionalen Förderanträgen und
die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Strukturwandel- und Innovationsfonds (Lausitzfonds) schaffen
Für die Prozessgestaltung und die anstehenden Investitionen, benötigt die Lausitz Mittel in nicht unerheblichem Umfang. Diese Gelder sollen in einem regionalen Fonds bereitgestellt werden. Ein solcher Fonds soll folgende Aufgaben haben:
strategische Koordination und Abstimmung von Zielen und Handlungsfeldern,
Akquisition externer finanzieller Ressourcen,
Finanzierungsmechanismus für Investitionen in der Region.
Grundsätzlich sollte der regionale Finanzierungsfonds ergänzend zu Förderangeboten des Landes,des Bundes und der EU wirken.
Lausitzstiftung gründen
Neben der Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur braucht es ebenso die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements für die Gestaltung des Strukturwandels. Kommunale Initiativen, Einzel-Projekte oder auch kleinere Startups können helfen, die Attraktivität der Region maßgeblich zu steigern. Um derartige Entwicklungen zu fördern, bedarf es einer entsprechenden Stiftung als Fördermittelgeberin und Beraterin. Wir wollen diese Stiftung einrichten und mit festen Einzahlungen über 15 Jahre verankern. Sollten die Mittel nicht im jeweiligen Jahr ausgegeben werden, sollen sie für die Folgejahre weiterhin zur Verfügung stehen.