Veranstaltung: | 40. Landesdelegiertenkonferenz 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.3. Weltoffen (Kapitel und Projekte) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 25.11.2018 |
Eingereicht: | 21.12.2018, 22:20 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Es könnte so einfach sein: Digitalisierung
Beschlusstext
Die Digitalisierung bietet unschätzbare Chancen in allen Lebensbereichen um Menschen näher zusammenzubringen, Prozesse demokratischer und transparenter zu gestalten, Verwaltung effizienter zu machen und Teilhabe zu stärken. Digitalisierung ermöglicht auch neue Arbeitsplätze im ländlichen Raum, die bisher an größere Städte gebunden waren. Gleichzeitig entsteht bei vielen ein Gefühl der Entfremdung, des Abgehängt-Seins und der ständigen Beobachtung immer weiterer Lebensbereiche durch Firmen und den Staat. Wir wollen die Chancen im Sinne der Gesamtgesellschaft nutzen und dabei die Rechte der Bürger*innen im digitalen Raum verteidigen. Wir wollen die Begeisterung, mit der Neues ausprobiert wird, fördern wo immer es geht und gerade junge Menschen in die Lage versetzen, sich selbstbestimmt mit Technik auseinanderzusetzen.
Auswirkungen auf die Gesellschaft werden wir weiterhin sehr genau im Blick behalten und eine breite gesellschaftliche Debatte einfordern, bevor durch Politik oder Verwaltung Fakten geschaffen werden, die schwer zurück zu nehmen sind. Bei staatlichen Projekten gilt für uns: Datenschutz und IT-Sicherheit sind nicht optionale Anhängsel, sondern Vorbedingung um überhaupt zu starten. Großprojekte mit erheblichen Auswirkungen auf das alltägliche Leben, wie z.B. Smart-City-Projekte müssen von Anfang an die Bürger*Innen sehr intensiv einbinden, damit tatsächlich die Gesellschaft als ganzes profitiert. Eine bündnisgrüne Digitalisierung fördert nicht Monopole, Abhängigkeiten und Bevormundung, sondern dient der Allgemeinheit und einem selbstbestimmten Leben.
Breitband, W-LAN und Mobilfunk - Wo gibt’s denn hier Netz?
Ein Zugang zu schnellem Internet und Mobilfunk ist Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe im 21. Jahrhundert. Die gleichberechtigte Teilhabe an der Errungenschaft eines leistungsfähigen Internets betrachten wir als ein Grundrecht für alle Menschen. Mangelnde Internetanbindung ist außerdem ein massiver Standortnachteil für Lebens-, Wohn- und Wirtschaftsentscheidungen. Wir wollen das Internet als partizipatorisches Medium erhalten und ausbauen. Dafür muss eine aktive Teilhabe auch technisch möglich sein. Daher wollen wir stark asymmetrische Verbindungsmodelle (unterschiedliche Up-& Downloadgeschwindigkeiten) perspektivisch ablösen und setzen uns auf allen Ebenen für eine Stärkung der Netzneutralität ein. Aus all diesen Gründen setzen wir uns für einen zügigen und zukunftsfähigen Ausbau von Glasfasernetzen bis in die Gebäude ein (Fibre to the home - FTTH). Dabei sollte das ganze Land durch den weiteren Ausbau eines schnellen Internets profitieren. Zusätzlich setzen wir uns dafür
ein, dass auf Bundesebene ein Breitbandanschluss als Universaldienst eingestuft wird und damit zur Daseinsvorsorge zählt.
Die Landesregierung hat zu lange zu wenig getan, um den Breitbandausbau voranzubringen. Statt eine klare Strategie vorzugeben, ließ die Brandenburger Landesregierung die überforderten Kommunen jahrelang im Regen stehen. Wir wollen das Ziel einer durchgehenden Glasfaserversorgung bis ins Haus und Up- wie Downstream-Geschwindigkeiten von 1.000 Mbit/s in einem klaren Ausbaukonzept festlegen. Jeder einzelne Schritt und jede einzelne Maßnahme müssen anhand dieses Ziels bewertet werden. Wir wollen die Kommunen in die Lage versetzen, Netze schnell auszubauen. Dazu gehört ein zentrales Monitoring der Situation, gezielte Initiativen und Unterstützung mit Informationen. Musterausschreibungen, wie sie beispielsweise in Baden-Württemberg genutzt werden, können sehr effektiv zu einer flächendeckend hohen Qualität des Ausbaus führen. Wo nötig, wollen wir ergänzende Fördermittel zur Verfügung stellen.
Besonders fördern wollen wir Initiativen zum Aufbau eigener kommunaler Infrastruktur. So könnten insbesondere Landkreise, z.B. über Stadt- bzw. Kreiswerke, Netze aufbauen und durch die Leitungsgebühren Einnahmen generieren, wie sie dies bei anderen Netzen auch tun. Auch Zusammenschlüsse von Bürger*innen wollen wir dabei unterstützen, den Ausbau in die eigene Hand zu nehmen. Dabei ist uns besonders wichtig, dass sich einzelne Akteure nicht nur die Regionen rauspicken, in denen der Netzausbau profitabel ist, sondern auch die anderen davon profitieren.
Eine Förderung von Vectoring, das existierende Monopole noch verstärkt und nicht langfristig zukunftsfähig ist, lehnen wir genauso ab, wie das Ausspielen der Breitbandversorgung gegen den anlaufenden 5G-Ausbau. Rund um die Gebäude der Landesverwaltung möchten wir freies W-LAN anbieten. Kommunen wollen wir ermutigen, dies bei passend gelegenen Gebäuden ebenfalls zu tun. Dabei wollen wir Initiativen aus der Zivilgesellschaft, wie z.B. den Freifunk, aufgreifen und einbeziehen. Wir setzen uns dafür ein, dass Freifunk-Initiativen endlich als gemeinnützig anerkannt werden können.
Der Mobilfunkausbau hat mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie Breitbandanschlüsse: Dünn besiedelte Regionen können wirtschaftlich nicht entsprechend versorgt werden.
Die Landesregierung hat zu lange nur auf die Provider verwiesen; der sog. "Mobilfunkgipfel“ zwischen der Landesregierung, den Providern und Vertretern der Wirtschaft hat kaum Ergebnisse geliefert. Hier ist ein stärkeres Engagement dringend geboten. Auf Bundesebene muss sich die Landesregierung vehement dafür einsetzen, dass sich bei den anstehenden Frequenzversteigerungen die prozentuale Ausbauverpflichtung der Netzbetreiber nicht allein an den Haushalten, sondern auch an der Fläche und an vorhandenen Verkehrswegen orientiert.
Datenschutz ist Grundrechtsschutz!
Das Grundrecht auf Privatsphäre gerät durch staatliche und private Stellen unter immer stärkerem Druck. Wir sehen Datenschutz als zentralen Bestandteil einer freien und sicheren Gesellschaft. Wir werden uns auf Landesebene dafür einsetzen, dass Umsetzungsspielräume der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) dazu genutzt werden, den Datenschutz zu stärken.
Die Landesregierung hat eine effektive Durchsetzung des Datenschutzrechts gegenüber Behörden verhindert. Bisher sind Geldbußen gegenüber öffentliche Stellen ausgeschlossen. Das wollen wir ändern. Gerade bei Behörden müssen sich die Bürger*Innen darauf verlassen können, dass mit Ihren Daten ordentlich umgegangen wird.
Um die tatsächliche Durchsetzung der geltenden Regeln zu sichern wollen wir außerdem die Stellung der Landesbeauftragten für den Datenschutz erheblich stärken. Wir wollen die Stelle der Landesbeauftragten entsprechend der gesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit als oberste Landesbehörde einrichten und festschreiben, dass sie wie in der DSGVO vorgesehen in einem transparenten Prozess besetzt wird. Außerdem müssen Bildungs- Beratungs- und Prüftätigkeiten der Datenschutzbeauftragten entsprechend des gesetzlichen Auftrags auch personell möglich sein.
Den immer übergreifenderen Bestrebungen nach verdachtsunabhängiger Massenüberwachung durch Sicherheitsbehörden und Unternehmen stellen wir uns entschieden entgegen. Whistleblower, die die Gesellschaft auf wichtige Misstände hinweisen, wollen wir bestmöglich vor Repressionen schützen.
Verwaltung digitalisieren – downloaden statt abholen
Die Digitalisierung von Behörden-Dienstleistungen kann Zeit, Geld und Stress für Bürger*Innen und Wirtschaft sowie die Verwaltung selbst sparen. Gerade im Flächenland Brandenburg ist ein einfacher Online-Zugang zur Verwaltung auch eine Frage der Teilhabe, da lange Wege und beschränkte Öffnungszeiten eine ernsthafte Hürde darstellen können. Außerdem kann durch eine sinnvolle Digitalisierung die Transparenz von Verwaltungshandeln deutlich steigen.
Wir wollen E-Government unter Beachtung der Grundsätze Datenschutz, IT-Sicherheit, Bürger*innenfreundlichkeit und Barrierefreiheit deutlich nach vorne bringen. Um niemanden auszuschließen ist für uns dabei aber auch klar, dass jede Behörden-Dienstleistung auf absehbare Zeit auch analog vor Ort angeboten werden muss.
Ein Ansatz um Bürger*Innen die Interaktion mit der Verwaltung deutlich zu erleichtern ist das "Once-Only-Prinzip", bei dem die bei den Behörden bereits vorhandene Daten nicht erneut angegeben werden müssen. Wir setzen uns dafür ein, dieses Prinzip für die Daten innerhalb einzelner Behörden, die regelmäßigen Kontakt mit Antragssteller*Innen pflegen zu erproben.
Hohe Standards bei der IT-Sicherheit durchsetzen
Grundvorraussetzung für jede Art von E-Government ist die Umsetzungsfähigkeit durch die Kommunen, Landkreise und das Land. Bevor ein neuer Dienst an den Start gehen kann, müssen Datenschutz und IT-Sicherheit sichergestellt sein. Damit ein E-Government-Gesetz seine positive Wirkung entfalten kann, braucht es qualifizierte IT-Mitarbeiter*innen, effiziente Strukturen und ausreichend Ressourcen. Wir wollen auf allen Ebenen das IT-Know-How in den Behörden halten und ausbauen. Insbesondere den IT-Dienstleister ZIT‑BB der Brandenburger Landesverwaltung wollen wir stärken und als Kompetenzzentrum aufbauen. Da Fachleute in diesem Bereich schwer zu bekommen sind, muss besonderes Augenmerk auf Nachwuchsförderung und Ausbildung gelegt werden.
Bei der Beschaffung und dem Einsatz von Hard- und Software wollen wir Sozial- und Umweltstandards, standardisierte Schnittstellen für den Datenaustausch sowie Datenschutz- und IT-Sicherheits-Standards zwingend festschreiben. Bei IT-Verträgen wollen wir eine "No-Spy-Klausel" einführen, damit Anbieter, die mit ausländischen Geheimdiensten u.ä. zusammengearbeitet haben, ausgeschlossen werden können. Die IT-Infrastruktur wollen wir klimaneutral betreiben. Kommunikation zwischen Verwaltungseinheiten wollen wir grundsätzlich durch Verschlüsselung absichern. Bei der Kommunikation mit Bürger*innen und Wirtschaft wollen wir dies anbieten. Wie vergangene Skandale zeigen, muss außerdem sehr viel größere Sorgfalt bei der Vergabe von Zugriffsrechten gepflegt werden, um Missbrauch zu verhindern.
Die Abhängigkeit von einzelnen Softwareanbietern führt zu erheblichen Problemen, da nötige Spezialanforderungen dadurch nicht effektiv durchgesetzt werden können. Sie muss daher dringend verringert werden, nötigenfalls auch durch Eigenentwicklungen, z.B. in einem Zusammenschluss mehrerer betroffener Behörden. Langfristig streben wir im Bereich der öffentlichen IT-Infrastruktur einen kompletten Wechsel auf freie und quelloffene Software an, wie es z.B. schon Schleswig-Holstein beschlossen hat. Damit auch Städte, Gemeinden und Landkreise an der Entwicklung teilhaben können, wollen wir, dass die Landesverwaltung bei Planung, Umsetzung und Infrastruktur unterstützt. Das Anbieten von zentralisierten Diensten kann an vielen Stellen sinnvoll sein, um Überforderung vor Ort zu vermeiden.