Veranstaltung: | 40. Landesdelegiertenkonferenz 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.3. Weltoffen (Kapitel und Projekte) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 25.11.2018 |
Eingereicht: | 21.12.2018, 23:55 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Vielfältig und frei leben: Selbstbestimmung und Anti-Diskriminierung
Beschlusstext
Unsere Gesellschaft ist im Wandel. In unseren Dörfern und Städten, am Arbeitsplatz, in Schulen und Sportvereinen begegnen sich Menschen mit und ohne Glauben, mit unterschiedlichen sexuellen Identitäten und Hautfarben, mit und ohne Zuwanderungsgeschichten. Diese Vielfalt bereichert unser Land. Ein friedliches Zusammenleben in Vielfalt funktioniert nur mit Rechten und Pflichten, die für alle gleichermaßen gelten müssen, und einer klaren Positionierung gegen jede Form von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit. Wir stehen für eine inklusive Gesellschaft, die in ihrer Vielfalt zusammenhält. Eine Gesellschaft, in der jede*r selbst bestimmt leben kann und die individuelle Freiheit sowie die persönliche Identität geschützt sind, auch im Netz.
Religion: Alle nach ihrer Fasson
Glaubensfreiheit hat in Brandenburg eine lange Tradition. Alle Menschen sollen "nach ihrer Fasson selig werden" und müssen die Freiheit haben, ihren Glauben zu leben, sei er jüdisch, christlich, muslimisch, buddhistisch, hinduistisch usw. oder auch ganz frei von religiös-weltanschaulichem Bekenntnis. Unsere vielfältige, offene Gesellschaft basiert auf dem Grundgesetz, das wir achten und verteidigen. Wir verurteilen die Diskriminierung Andersgläubiger, antidemokratische Einstellungen und menschenverachtenden Fanatismus. Wir verurteilen insbesondere, wenn Religionen in diesem Sinne instrumentalisiert werden oder sich instrumentalisieren lassen. Wir schätzen es zudem sehr, wenn sich Religionsgemeinschaften mit wertegebundenen Positionen aktiv an der Meinungsbildung zur Stärkung unseres demokratischen Gemeinwesens beteiligen
Viele Menschen engagieren sich aus ihrem Glauben heraus oder aus Überzeugung gemeinsam mit uns für Geflüchtete, eine saubere Umwelt, weltweite Gerechtigkeit oder gegen Armut. Sie leisten damit einen wertvollen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da stehen wir Seit an Seit. Das friedensstiftende und befreiende Element findet sich in nahezu allen Religionen. Der Glaube soll frei machen, nicht fesseln. Unsere Geschichte in Brandenburg ist eng mit dem emanzipatorischem Wirken der Kirchen verbunden.
Wir unterstützen den Brandenburger Weg, das Schulfach „Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER)“ in den Klassen fünf bis zehn zu unterrichten und einen zusätzlichen, freiwilligen Religions- oder Weltanschauungsunterricht der Kirchen oder des Humanistischen Verbands zu ermöglichen.
Das kirchliche Arbeitsrecht sehen wir kritisch. Wir wollen die Rechte der kirchlichen Arbeitnehmer*innen außerhalb des religiösen Verkündigungsbereiches stärken und Ausnahmeregelungen beschränken.
In staatliche Zuwendungen an Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften wollen wir mehr Transparenz bringen.
Queeres Brandenburg
Wir wollen, dass lesbische, schwule, bisexuelle, transsexuelle, trans*, inter* und queere Menschen (LSBTTIQ*) frei von Anfeindungen, Vorurteilen und Gewalt in Brandenburg leben können. Nach einer im Jahr 2017 durchgeführten Online-Befragung hat fast die Hälfte (48 Prozent) aller LSBTTIQ* in Brandenburg in den vergangenen fünf Jahre Diskriminierung erfahren. Jede sechste befragte Person erlebte in dieser Zeitspanne Gewalt oder ein Verbrechen aufgrund der sexuellen oder geschlechtlichen Identität. Um für Betroffene mögliche Hemmnisse vor einer Kontaktaufnahme mit der Brandenburger Polizei oder der Staatsanwaltschaft abzubauen, wollen wir dort Stellen für hauptamtliche Ansprechpartner*innen für die Belange der LSBTTIQ* schaffen. Wir fordern eine systematische Erfassung homo- und trans*feindlicher Straftaten wie Hasskriminalität und eine entsprechende Präventionsarbeit bei Polizei, Justiz und Sozialarbeit.
Die bestehenden Beratungsstrukturen für Opfer trans*- und homophober Gewalt wollen wir stärken und landesweit ausbauen. Die Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) wollen wir mit mindestens einer*m hauptamtlichen Landesantidiskriminierungsbeauftragten mit entsprechender Ausstattung und Qualifizierung besetzen.
Das Land hat mit dem Aktionsplan „Queeres Brandenburg“ einen ersten Schritt gegen Diskriminierung und für gleiche Rechte von LSBTTIQ* gemacht. Der Aktionsplan stellt bisher allerdings lediglich eine einfache Zustandsbeschreibung dar. Wir wollen den Aktionsplan „Queeres Brandenburg“ in Bezug auf Maßnahmen und Kosten konkretisieren und seine schnelle Umsetzung angehen. Diese soll anhand eines regelmäßigen Berichts überprüft werden. Wir wollen, dass vom Land Brandenburg für die gesamte Verwaltung eine Handreichung für den Umgang mit LSBTTIQ*-Menschen entwickelt wird und Beschäftigte entsprechend geschult werden.
Die gesundheitliche und soziale Situation der LSBTTIQ* wollen wir deutlich verbessern. Sexuelle Gesundheit wollen wir fördern und die Präventionsarbeit stärken, wir bekennen uns zu den UN-AIDS-Zielen, um HIV bis 2030 zu beenden.
Familienformen sind vielfältig. Ob Vater-Mutter-Kind, Mutter-Kind-Kind oder Vater-Vater-Kind – Familie ist dort, wo Kinder sind und wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Wir wollen die Vielfalt der Familien stärken und die Beratungsmöglichkeiten für LSBTTIQ* mit Kindern sowie für Eltern mit LSBTTIQ*-Kindern in allen Regionen Brandenburgs ausbauen, weiterentwickeln und stärker vernetzen. In der Aus- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften sollen unterschiedliche Familienmodelle angemessen berücksichtigt werden (Diversitykompetenz).
Wir wollen vielfältige Familienformen in möglichst allen gesellschaftlichen Bereichen sichtbar machen. Dazu gehört zum Beispiel die repräsentative und realitätsbezogene Darstellung in Schulbüchern oder Elterninformationen. In der öffentlichen Verwaltung wollen wir Vorschriften und Formulare entsprechend anpassen.
Die Rechte lesbischer Ehefrauen, die gemeinsam ein in der Ehe geborenes Kind erziehen, wollen wir stärken, indem wir uns dafür einsetzen, dass auch die nichtleibliche Mutter künftig von Geburt des Kindes an rechtliche Mutter sein kann.
Ein erhöhtes Selbstmordrisiko, gerade unter Jugendlichen, ist leider traurige Realität, ebenso wie psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Sucht. Die Schulsozial- und die Jugendarbeit wollen wir stärken und Beratungs- und Begleitungsprojekte, die sich an LSBTTIQ* richten, verlässlich und dauerhaft fördern.
Der von unserer Landtagsfraktion eingebrachte Entwurf für ein Landesantidiskriminierungsgesetz hat noch keine parlamentarische Mehrheit gefunden. Wir werden das Ziel weiterhin energisch verfolgen.
Den Schutz vor Diskriminierung wollen wir auch auf Bundesebene vorantreiben und unterstützen entsprechende Bundesratsinitiativen. Artikel 3 des Grundgesetzes muss um die Merkmale der sexuellen und geschlechtlichen Identität ergänzt werden. Das menschenrechtsverletzenden Transsexuellengesetz wollen wir abschaffen und fordern eine neue Gesetzgebung, die sich konkret an den Bedürfnissen von Trans*Personen ausrichtet. Operationen an Inter*Personen im Kindesalter wollen wir verbieten und die Aufbewahrungsfrist für Krankenakten verlängern. Inter*-Personen und ihre Eltern brauchen qualifizierte Informations- und Beratungsangebote. Entsprechende Initiativen des Nachbarlands Berlin begrüßen wir.
Inklusion und Teilhabe: Barrierefrei und gleichberechtigt leben
Selbstbestimmt leben. Das sollen die 370.000 in Brandenburg wohnenden Menschen mit Behinderung können – genauso wie alle anderen. Unsere Behindertenpolitik im Land Brandenburg ist eine menschenrechtsorientierte Politik ohne Wenn und Aber. Die Selbstvertretungsorganisationen behinderter Menschen sind bei der Gestaltung dieser Politik unsere Partner auf Augenhöhe. „Nicht ohne uns über uns“, das gilt für unsere grüne Politik für Menschen mit Behinderung.
Im Land Brandenburg wollen wir die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) konsequent umsetzen. Artikel 19 der UN-BRK erkennt das Recht von Menschen mit Beeinträchtigungen an, mit den gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Sie müssen selbst darüber entscheiden können, wo und mit wem sie leben. Niemand darf in besondere Wohnformen gezwungen werden. Wir haben deshalb im Landtag eine Debatte über das Bundesteilhabegesetz initiiert. Damit haben wir erreicht, dass sich Brandenburg beim Bund für das Wunsch- und Wahlrecht von beeinträchtigten Menschen eingesetzt hat.
Wir wollen eine bunte, vielfältige Gesellschaft, in der es normal ist, verschieden zu sein, in der niemand ausgegrenzt wird und alle das Gefühl haben: Ich gehöre dazu. Jede und jeder soll die Unterstützung erhalten, die jeweils benötigt wird. Uns geht es um Selbstentfaltung und die Möglichkeit individueller Lebensentwürfe ebenso wie um die gesellschaftlichen Voraussetzungen für individuelle Freiheit.
Grundsätzlich gilt: Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deshalb braucht es neben der staatlichen Verantwortung die Unterstützung der Zivilgesellschaft. Kommunale Beauftragte und Beiräte für Menschen mit Behinderung leisten hierfür einen wichtigen Beitrag. Brandenburg muss zukünftig die UN-Behindertenrechtskonvention mit dem Ziel der Inklusion vollständig umsetzen und die Menschenrechte behinderter Menschen umfassend garantieren. Unter diesem Aspekt wollen wir das „Behindertenpolitische Maßnahmenpaket der Landesregierung 2.0“ evaluieren und mit konkreten Maßnahmen fortschreiben. Dazu gehört auch ein entsprechendes Monitoring.
Für eine Drogenpolitik, die auf Prävention, Jugendschutz und Selbstbestimmung setzt
Kanada und die Niederlande machen mit ihrer liberalen Cannabispolitik vor, dass Prohibition kein besonders wirksames Mittel im Kampf gegen Suchterkrankungen ist. Kriminalisierung und Repression sind keine erfolgreichen Maßnahmen gegen Drogen. Unser Ziel ist es, die Selbstbestimmungsrechte von Menschen zu achten und gesundheitliche Risiken zu minimieren. Wir wollen dem Schwarzmarkt das Wasser abgraben und zugleich Konsumfreiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Bürger*innen stärken. Wir befürworten eine Entkriminalisierung von Cannabis, beginnend mit der Anpassung an die Berliner Rechtslage. Diese besagt, dass gegen den Besitz von weniger als 10 Gramm Marihuana nicht strafrechtlich ermittelt werden darf und auch noch bei Mengen von bis zu 15 Gramm eine Einstellung des Verfahrens möglich ist. Wir möchten diese Regelung auch in Brandenburg einführen. Außerdem soll ein Modellprojekt die legale Abgabe von Cannabis an Volljährige ermöglichen. Als letzten Schritt wollen wir uns im
Bundesrat gemeinsam mit anderen Bundesländern für eine Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz und einen strikt regulierten, legalen Markt für Cannabis starkmachen. Wir wollen Jugendschutz mit strengen Kontrollen und mehr Prävention – ganz nach dem Prinzip „Aufklärung und Transparenz statt Vorenthaltung von Information“.
Da sich der Konsum illegaler Drogen nie hundertprozentig verhindern lassen wird, wollen wir zur Minimierung von Gesundheitsrisiken und vermeidbaren Todesfällen, Drugchecking, also die anonyme Überprüfung von chemischen Substanzen auf Streckmittel, ermöglichen. Die Zulässigkeit der Praxis wollen wir gutachterlich prüfen lassen.
Unsere Leitlinie ist klar: Gesundheit und Mündigkeit, statt Repression und Angst.