Veranstaltung: | 40. Landesdelegiertenkonferenz 2018 |
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Tagesordnungspunkt: | TOP 3.3. Weltoffen (Kapitel und Projekte) |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Landesdelegiertenkonferenz |
Beschlossen am: | 25.11.2018 |
Eingereicht: | 22.12.2018, 00:02 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Global denken, lokal handeln: Für eine faire und friedliche Welt
Beschlusstext
Durch die Globalisierung ist die Welt kleiner geworden. Mit ihr werden alle Folgen unseres Handelns auch in Brandenburg deutlicher und direkter spürbar. Während die anderen Parteien zumeist noch im nationalstaatlichen Rahmen denken, haben wir Bündnisgrünen frühzeitig auf die globalen Auswirkungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise aufmerksam gemacht. Die Auseinandersetzung um die neuen Fluchtbewegungen zeigt beispielhaft, welche Auswirkungen dies auf die Politik hat: Während die politische Rechte und auch große Teile der Linken sich auf Maßnahmen konzentrieren, die Fluchtwege unpassierbar zu machen, konzentrieren wir Bündnisgrüne uns auf die Fluchtursachen. Auf den ersten Blick mag das nach Außen- und Entwicklungspolitik klingen, aber auch Brandenburg kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Welt für möglichst alle Menschen friedlicher und fairer wird. Wir wollen nicht auf Kosten anderer leben. Wir wollen, dass kein Mensch flüchten muss.
Zur Beilegung militärischer Krisen beitragen
Während sich ausgerechnet die rot-rote Landesregierung über neue Ansiedlungen von Rüstungsfirmen in Brandenburg freut und die verkappte Militärshow der Internationalen Luftfahrtausstellung (ILA) fleißig fördert, wollen wir Brandenburg zu einem Ort der zivilen Krisenprävention machen.
Alle Einsätze der Bundeswehr - ob im nationalen oder multinationalen Rahmen - werden grundsätzlich vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow geplant und geführt. Brandenburg muss gegenüber der Bundesregierung einfordern, dass von Geltow aus keine Einsätze ohne völkerrechtliche Mandate geplant oder geführt werden.
Wir wollen die Friedensforschung fördern, nicht Militärforschung vorantreiben. Die Annahme von Drittmittelprojekten für Militärforschung an Hochschulen und Universitäten soll transparent werden. Wir wollen eine Zivilklausel zum Verzicht auch Rüstungsforschung im Hochschulgesetz verankern. Wie bereits in Rheinland-Pfalz geschehen, wollen wir auch in Brandenburg eine Friedensakademie gründen. Mit ihr sollen die vielen verschiedenen friedenspolitischen Initiativen Brandenburgs vernetzt werden. Sie soll Friedensfachkräfte für die Konfliktprävention und Nachsorge vor Ort ausbilden und qualifizieren, sowie Forschung und Lehre anwendungs- und lösungsorientierter Friedensarbeit leisten. Auch inwieweit Umweltveränderungen zu Konflikten führen, soll analysiert werden. Zur Finanzierung können die eingesparten Mittel der ILA-Förderung herangezogen werden.
Als öffentliche Hand nachhaltiges und fair Wirtschaften
Unsere Lebens- und Wirtschaftsweise hat Auswirkungen auf andere Teile der Welt. Leergefischte Meere, aufgrund von Klimawandel devastierte Landstriche, Müllhalden unseres Mülls, Wasserknappheit aufgrund von Futtermittelexporten nach Europa, Regenwaldabholzungen, militärische Konflikte mit aus Deutschland exportierten Waffen uvm. Brandenburg kann Beiträge zur Linderung leisten. Mit weit über drei Milliarden Euro Vergabevolumen pro Jahr sind Brandenburgs Landes- und Kommunalverwaltungen wichtige Auftraggeber und könnten damit Vorreiter einer nachhaltigen Entwicklung sein – vor allem auch, wenn es um den Import von Produkten geht. So können wir stärker unseren Einfluss auf die Produktionsbedingungen andernorts geltend machen. Nachhaltigkeitskriterien, wie der ökologische Fußabdruck von Produkten, Klimaneutralität sowie faire Löhne und Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern spielen bislang keine oder eine nur sehr untergeordnete Rolle. Entscheidungen werden hierzulande immer noch zu
häufig am Beschaffungspreis und zu wenig an den Lebenszykluskosten eines Produktes ausgerichtet.
Wir wollen daher das Brandenburger Vergaberecht ändern. Außer der Einhaltung von Tarifbindung und Mindestlöhnen bei allen beauftragten Unternehmen sollen künftig auch Nachhaltigkeitskriterien für die zu beschaffenden Produkte verbindlich vorgeschrieben werden. Für die Beschaffung von Importprodukten sind, soweit möglich, Zertifizierungen vorzuschreiben, die die Einhaltung der Arbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Schutz vor Ausbeutung und Verbot von Kinderarbeit gewährleisten oder zur nachhaltigen Bewirtschaftung wie z.B. eine Zertifizierung nach dem "Forest Steward Ship Council" (FSC) vorschreiben. Die Beachtung dieser Kriterien wird auch das Verantwortungsbewusstsein in breiten Bevölkerungskreisen im Sinne von „Global denken, lokal handeln“ sehr positiv beeinflussen. Dazu kommen die in Pensionsfonds, Versicherungen, Aktien, Anleihen etc. angelegten Mittel. Im Rahmen einer Divest-Strategie wollen wir diese Mittel von Unternehmen abziehen, die z.B. fossile
oder nukleare Energieträger stützen, Waffen herstellen oder vertreiben, Pflanzen oder Saatgut gentechnisch verändern oder Tierversuche bei Kosmetika durchführen. Alle Brandenburger Behörden sollen zudem mit dem EU-Öko-Audit (EMAS) zertifiziert werden.
Eine Globalisierung ohne starke Regeln nützt vor allem globalen Konzernen und vergrößert die weltweite Ungleichheit und verschärft die Fluchtursachen, statt sie zu lindern. In der Logik der von der EU verhandelten Handelsabkommen CETA (EU-Kanada), TTIP (EU-USA), JEFTA (EU-Japan) und TiSA (weltweites Dienstleistungsabkommen) gelten Regulierungen zum Schutz von Mensch und Umwelt als störende Handelshemmnisse. Zugleich sollen durch die angedachten Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren Unternehmen unnötige und gefährliche Klageprivilegien gegen staatliche Regulierung erhalten. Solche Abkommen lehnen wir im Bundesrat ab
und fordern einen Neustart der europäischen Handelspolitik. Wir setzen uns für gerechte Handelsregeln ein, die fairen Wettbewerb und eine ressourcenschonende Produktionsweise fördern und Beschäftigte und Verbraucher*innen schützen.
Die Eine Welt in Brandenburg
Unabhängig davon, ob Menschen aus unmittelbarer Angst um Leib und Leben fliehen oder aufgrund wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit emigrieren, ist eine ökonomische und sozialpolitische Zusammenarbeit mit den betroffenen Regionen zur Bekämpfung der Ursachen notwendig. Wir wollen nach dem Vorbild anderer Bundesländer in Absprache mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit einer Region eine konkrete und breit aufgestellte Entwicklungspartnerschaft aufbauen, aus der viele Menschen emigrieren und/oder flüchten. Ziel ist eine langfristige Kooperation von Wirtschaft, Kommunen, Hochschulen, Kirchen und Zivilgesellschaft. Dabei kann auf etablierte Verbindungen und Vorleistungen aufgebaut und diese fortentwickelt werden. Dabei wollen wir mit den Entwicklungsorganisationen wie die Stiftung Nord-Süd-Brücken (SNSB) und VENROB e.V., das entwicklungspolitische Landesnetzwerk in Brandenburg einbinden, auch um neue Verbindungen für den Fairen Handel und die Eine-
Welt-Läden herzustellen. Ziele wären z.B. eine industriepolitische Zusammenarbeit zum Ausbau der Erneuerbaren Energien, Menschenrechtsdialoge, Unterstützung des Gesundheitssystems oder eine agrarpolitische Zusammenarbeit unter Einbeziehung der Hochschule für nachhaltige Entwicklung (HNE) Eberswalde, des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg (ZALF) und dem Deutschen Insitut für Ernährungsforschung (DIFE) in Potsdam-Rehbrücke.